Eine Reise durch die Bärenzeit. Aus der Geschichte des Hauses
Die Bärengeschichte beginnt im Jahre 1762.
Die Güter des täglichen Lebens wurden zu dieser Zeit mit Pferd und Wagen verschoben und gereist wurde mit einer Geschwindigkeit (müsste man nicht viel eher von Langsamkeit sprechen?), die manch heutigen Menschen in helle Verzweiflung treiben würde. Der stattliche Gasthof mitten im Dorf Häggenschwil bot diesen Reisenden während vielen Jahren Nahrung und Bett, den Pferden Stall und Hafer.
Der Gasthof, der 1920 umgebaut und um den prächtigen Saal erweitert wurde, bekam in der Folge auch für das gesellschaftliche Leben des Dorfes eine ausserordentlich wichtige Bedeu-tung. Ob Hochzeit, Traueressen oder Versammlung, der neue Bärensaal bot ideale Voraussetzungen für Zusammenkünfte aller Art.
Highlights aber waren während vieler Jahre die Theateraufführungen des Männerchors. Ältere Häggenschwiler berichten, dass die Menschen zu Fuss von weit her marschiert seien, um am Sonntagnachmittag einem Fünfakter beizuwohnen. Anschliessend hätten sie Speis und Trank genossen und sich beim Tanz vergnügt. Die Aufführungen am Schmutzigen Donnerstag waren für die Schülerinnen und Schüler, dazu gehörten traditionell «Zimmetflade» und Limonade. Der Bärenwirt seinerseits unterstützte den Männerchor, indem er die für die Theateraufführungen notwendigen Requisiten kaufte. Vermutlich sprach aber damals noch niemand von Kultursponsoring! Neben Saal und Gasthof florierte auch die Bäckerei, von der aus das Brot während vielen Jahren in die nähere und weitere Umgebung ausgetragen wurde.
Das Aufkommen des Fernsehgerätes, der Strukturwandel im Bauerngewerbe und das veränderte Freizeitverhalten führten unter anderem dazu, dass der Bärensaal seine Bedeutung als Theaterbühne sukzessive verlor. Der Bären blieb vorerst ein Restaurant und wandelte sich in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zu einem Ort der Kultur. Neben Jazzkonzerten fanden regelmässig Bilderausstellungen statt. Die Gaststube und der Saal wurden für Feste vermietet. Diese Tradition wird nun in renovierten Räumen, in erweiterter Form und unter professioneller Führung fortgesetzt.
Lisa Tralci